Interdisziplinarität der Sozialen Robotik

Neben den technischen Ingenieurwissenschaften – wie etwa Elektrotechnik, Maschinenbau oder Informatik – beschäftigen sich weitere Forschungsdisziplinen mit Assistenzsystemen und der sozialen Robotik. Sozialwissenschaftler erstellen Bedarfsanalysen, untersuchen die Mensch-Roboter-Interaktion und entwickeln Modelle der Technikakzeptanz (Bartneck, Kulić, Croft & Zoghbi, 2009; Dautenhahn, 2007a; Weidner & Karafillidis, 2018). Die Roboterethik beschäftigt sich aus philosophischer Perspektive mit den moralischen Herausforderungen bei der Entwicklung von Robotern und deren Umgang in menschlichen Lebenszusammenhängen (Coeckelbergh, 2015; Loh, 2019). Manche ethische Diskussionen über Robotik beziehen sich bereits auf konkrete Anwendungsfelder, wie die kontinuierliche Überwachung in Wohnungen oder wer zur Rechenschaft zu ziehen ist, wenn ein Roboter einen Menschen schädigt. Aus ökonomischer Sicht ergeben sich Fragestellungen, wie die Veränderung von Arbeitsplätzen durch soziale Roboter in der Pflege. Die Technikfolgenabschätzung – ein Teilgebiet der Technikphilosophie und -soziologie – fragt nach den gesellschaftlichen Wirkungen, Chancen und Risiken dieser Technologie (Čas, Rose & Schüttler, 2017).

Nicht nur in der medialen Berichterstattung wird das Thema Robotik kontrovers diskutiert. Auch im wissenschaftlichen Diskurs existieren unterschiedliche Perspektiven, Erwartungen und Rollenbilder für soziale Roboter. Die amerikanische Psychologin Sherry Turkle, Professorin am MIT, warnt etwa vor emotionalen Beziehungen mit sozialen Robotern (Turkle, 2011). Sie befürchtet, dass insbesondere soziale Roboter die Fähigkeit untergraben, ernsthafte Bindungen mit anderen Menschen einzugehen. Andererseits plädiert Hiroshi Ishiguro, Professor an der Universität Osaka, für einen weniger kritischen Umgang mit Robotern. Ishiguro führt an, die Beschäftigung mit Robotern könne dazu beitragen, herauszufinden, was es bedeutet Mensch zu sein. Zwischen den Positionen von Turkle und Ishiguro spannt sich ein breites interdisziplinäres Forschungsfeld zum Thema soziale Robotik.

 

Warum Soziale Robotik?

Schlagzeilen über Roboter und künstliche Intelligenz haben Konjunktur. Chancen, Hoffnungen, Vorbehalte und Ängste bilden die Ambivalenz dieser Zukunftsthemen ab. Die Meldungen gehen von Fragen wie Was macht uns künftig noch einzigartig? und Was machen wir morgen? über Feststellungen Mein Rivale, der Roboter und Mensch-Maschine: Ein offenes Match bis zu Appellen wie Die Roboter kommen. Fürchtet euch (nicht)! oder Schafft euch nicht ab![1] Den teils alarmierenden Schlagzeilen stehen zweifelnde und selbstkritische Meldungen aus der wissenschaftlichen Community gegenüber: Why are robots not becoming domestic products? oder It’s been a tough few years for social home robots: Where do we go from here? [2]

Bereits heute durchdringt Technik in vielerlei Gestalt den menschlichen Alltag, von stationären und mobilen Geräten bis zu Sensoren und Prozessoren am oder im Körper. Technik hat sich in unterschiedlichen Größenordnungen und Distanzen zum menschlichen Körper verstetigt: von Smartwatches und Smartphones über Tablets, Laptops und TV-Bildschirme bis zu Medienfassaden. Technik hält auf diese Weise in immer mehr Produkte, Dienstleistungen und Orte des privaten Lebens Einzug.

Nach der Vorstellung des ubiquitous computing, konzipiert von Mark Weiser in den frühen 90er Jahren, hat sich die Technologie im 21. Jahrhundert in das Gewebe des Alltags eingeflochten (Weiser, 1993). Entscheidend dabei ist die Vernetzung automatisiert operierender Sensoren und Endgeräte. Dadurch tritt die Komplexität des Netzwerkes für den Benutzer in den Hintergrund und die Technologie wird scheinbar unsichtbar. Mit dem Internet der Dinge, das physische Gegenstände mit virtuellen Netzwerken vernetzt, wird Weisers Vision des ubiquitous computing zunehmend Realität.

Während viele Technologien selbstverständlicher Teil des Alltags geworden sind, gewinnen sogenannte soziale Roboter, die für Aufgaben in alltäglichen Lebensräumen entwickelt werden, zunehmend an Aufmerksamkeit. Insbesondere die Robotik dient seit jeher als Projektionsfläche von utopischen Hoffnungen bis zu dystopischen Szenarien. Die Erwartungen an diese Technologie speisen sich zum Teil aus den fast schon hundert Jahre alten Fantasien aus Romanen und Filmen der Science-Fiction. Abgesehen von Robotern, die Staub saugen oder Rasen mähen, haben es jedoch bislang kaum Roboter aus den Forschungslaboren in den häuslichen Alltag geschafft.

Fortschritte in unterschiedlichen Disziplinen wie der Elektrotechnik, dem Maschinenbau und der Informatik haben in den letzten Jahren zu einem Aufschwung von Robotik und künstlicher Intelligenz (KI) beigetragen. Zu den Fortschritten zählen unter anderem Verbesserungen der Rechenleistung und Datenspeicherung, leistungsfähige Algorithmen, die Entwicklung neuer Aktoren, vernetzte Sensoren und weltweite Netzwerke mit hohen Bandbreiten. In speziellen Anwendungsbereichen übernehmen Roboter bereits für den Menschen gefährliche, repetitive und körperlich anstrengende Tätigkeiten (dull, dirty and dangerous jobs), etwa in radioaktiv verseuchten Atomanlagen, bei der Tiefsee-Erkundung oder bei der Inspektion von Minen. Auch KI-Algorithmen haben in speziellen Bereichen ihre Fähigkeiten bewiesen, z.B. als sie die weltbesten menschlichen Spieler in Schach (1997), Jeopardy (2011), Go (2017) oder Poker gegen mehrere Gegner (2019) besiegten. Qualifizieren jedoch diese Entwicklungen und Erfolge Roboter auch für den Einsatz in Wohnumgebungen?

Die Zusammenführung der Bereiche Robotik und KI lassen den Einsatz sozialer Roboter in privaten Lebensbereichen zunehmend realistisch erscheinen. Vereinzelt verrichten Roboter im Haushalt, etwa in Form von Staubsaugern oder Rasenmähern, als kommerziell verfügbare Produkte bereits nützliche Dienste. Eine erkennbare Entwicklung bei dieser Art von Robotern in begrenzten Anwendungskontexten besteht darin, robotische Fähigkeiten in bereits bestehende Produktkategorien zu integrieren. Viele darüber hinausgehende Anwendungsgebiete im Alltag sind jedoch noch nicht klar definiert. Als verkörperte, vernetzte und teils räumlich mobile Technologie werden soziale Roboter für unterschiedliche Rollen entwickelt, von hilfreichen Assistenten im Haushalt über Pflegeroboter für ältere Personen bis zu Companion Robotern. Ob die in die Robotik gesetzten Erwartungen tatsächlich erfüllt werden, bleibt fraglich. Es hat sich gezeigt, dass die Vorhersagen von Experten kaum Konvergenz aufweisen und dass es einen starken Trend gibt, die Entwicklung der nächsten 15 bis 25 Jahre ab dem jeweiligen Prognosezeitpunkt tendenziell zu optimistisch vorherzusagen (Österreichischer Rat für Robotik und Künstliche Intelligenz, 2018).

Neben der Frage, welche Aufgaben Roboter und Assistenzsysteme übernehmen können, steht daher auch die Frage, welche Aufgaben sie übernehmen sollen. Gibt es Kompetenzbereiche, die vor der Übernahme durch Roboter geschützt werden sollen? Soll die technische Machbarkeit die Grenze dafür sein, welche Tätigkeiten von Roboter ausgeführt werden? Wo verläuft die Grenze zwischen gewolltem Komfort und ungewolltem Kompetenzverlust? Welche gesellschaftlichen und individuellen Folgen haben soziale Roboter und Assistenzsysteme? Bruno Gransche (2017) fragt in diesem Zusammenhang: Assistieren wir uns zu Tode? Um diese vielfältigen Fragestellungen zu adressieren, hat sich ein interdisziplinäres Forschungsfeld zu sozialen Robotern und Assistenzsystemen gebildet.


  1. Die Zeit, 26.03.2018, Nr. 14; Die Zeit, 26.04.2018, Nr. 18; Die Presse, 7.8.11.2015;
    Die Presse, 27./28.06.2015; Die Zeit, 10.01.2019, Nr. 3; Technologiegespräch, Europäisches Forum Alpbach, 2017; Die Zeit, 18.07.2019, Nr. 30
  2. (Auger, 2014); (Hoffman, 2019)

 

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Gebäudetechnik, Heimautomation, smart home

  • Die Begriffe Haustechnik und Gebäudetechnik haben sich als Sammelbegriffe für eine Vielzahl an technischer Ausrüstung in Gebäuden etabliert, wobei sich beide Begriffe inhaltlich überschneiden und nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind. Gebäudetechnik wird meist als Überbegriff aller technischer Bereiche und Ausstattungen in Gebäuden gebraucht. Dazu zählen etwa die Bereiche Schall-, Brand- und Wärmeschutz sowie Beleuchtung und Tageslicht. Ebenso umfasst die Gebäudetechnik die sogenannte Haustechnik, die speziell die Versorgung des Gebäudes in den Bereichen Wasser, Luft und Wärme beinhaltet (Neufert & Kister, 2005, p. 520).

In vielen Gebäuden findet heute zunehmend eine Automatisierung der Gebäudetechnik statt, deren Ziel es ist, Abläufe nach vorgegebenen Parametern oder (teil)autonom zu steuern. Die automatisierte Steuerung der Gebäudetechnik wird als Gebäudeautomation bezeichnet. Es erfolgt eine Vernetzung der technischen Einheiten im Gebäude. Die Vernetzung von Sensoren, Aktoren, Bedienelementen und Verbraucher erlaubt es, diese technischen Einheiten zu überwachen, zu steuern und zu optimieren.

Im Wohnbereich werden für die Gebäudeautomation die Bezeichnungen Heimautomation oder Hausautomation verwendet, die oft mit dem Schlagwort smart home bezeichnet wird. Ein smart home kann als eine Wohnumgebung definiert werden, die entweder den Komfort seiner Bewohner bei bereits bestehenden Tätigkeiten erhöht oder Funktionalitäten bietet, die ohne den Einsatz von Computertechnologien nicht möglich sind (Mennicken, Vermeulen & Huang, 2014, p. 105). Dieser Teilbereich der Gebäudeautomation ist spezifisch an die Gegebenheiten und Bedürfnisse der Bewohner in privaten Wohnungen und Häusern ausgerichtet. Es kommt dabei zu einer Verschmelzung von Funktionen der Gebäudetechnik mit Haushaltsgeräten und Komponenten der Unterhaltungs- und Kommunikationstechnik. Im Mittelpunkt der Heimautomation steht meist eine Erhöhung der Sicherheit, Lebens- und Wohnqualität bei gleichzeitiger effizienter Energienutzung. Die Steuerung erfolgt weitestgehend automatisiert oder über eine benutzerfreundliche Schnittstelle durch den Bewohner selbst. Gebäude erfüllen daher zunehmend die Definition eines Roboters, denn sie sind mit Sensoren, einer Steuerungseinheit und Aktoren ausgestattet. Die an unterschiedlichen Orten verteilten Sensoren liefern einen kontinuierlichen Datenstrom, der in einer Steuerungseinheit verarbeitet wird. Mittels Aktoren werden Anweisungen dieser Steuerungseinheit ausgeführt.

 

Sozialer Raum

Sozialer Raum wird als die „relationale (An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“ definiert (Löw, 2001, p. 160). Die Bezeichnung der relationalen Anordnung verweist darauf, dass Raum durch die Elemente und deren Beziehungen zueinander entsteht. Der Begriff der Ordnung verweist auf die strukturelle Dimension von Raum. Unter sozialen Gütern werden vorwiegend materielle Objekte verstanden, die angeordnet werden können. Diese (An)ordnung erfolgt durch Menschen oder andere Lebewesen. Orte, die das Ziel und Resultat von (An)Ordnungen sind, bezeichnen eine konkret benennbare, meist geografisch markierte Stelle.

 

Roboter und soziale Roboter

„Roboter sind sensumotorische Maschinen zur Erweiterung der menschlichen Handlungsfähigkeit.“
(Christaller et al., 2001, p. 18)

Unter Roboter werden kombinierte technische Systeme verstanden, die aus verschiedenen funktionalen Komponenten bestehen. Die Komponenten eines Roboters können vereinfacht in Sensoren, Steuerungseinheit und Aktoren unterteilt werden (Oubbati, 2007, p. 10). Sensoren empfangen Daten zur Umwelt- und Selbstwahrnehmung, indem sie Zustände oder Veränderungen der Umgebung messen. Die Steuerungseinheit besteht aus Komponenten der Informatik und Telekommunikation, die zur Speicherung, Verarbeitung, Übertragung und Darstellung von Informationen dienen. Aktoren bzw. Aktuatoren ermöglichen die Aktionsfähigkeiten durch Antrieb und Bewegung des Roboters.

Blockschema der Teilsysteme eines Roboters (Oubbati, 2007, p. 10)

Der Begriff des Roboters hat jedoch in den letzten Jahren einen großen Wandel durchlaufen (Sziebig & Korondi, 2015). Roboter sind nicht mehr nur abgeschlossene Einheiten, die aus Sensoren, einer Steuereinheit und Aktoren bestehen. Roboter sind Teil größerer Informationsnetze, empfangen Befehle aus dem Internet, haben möglicherweise keine festen Sensoren an ihrem mechanischen Körper und sind in Autos, Unterhaltungselektronik oder Mobiltelefone eingebettet (Sziebig & Korondi, 2015).

Soziale Roboter

In der Literatur findet sich keine einheitliche Definition sozialer Roboter. Definitionen fallen je nach Forschungsrichtung und Kontext unterschiedlich aus. Zudem beinhalten Definitionen sozialer Roboter meist eine spezifische Sichtweise auf die Rollen, Aufgaben und soziale Interaktion mit Robotern. Gemeinsam ist den meisten Definitionen, dass die Interaktionsfähigkeiten ein zentrales Merkmal sozialer Roboter sind. Aus einer mensch-zentrierten Perspektive können soziale Roboter über die natürlicher Art und Weise der Interaktion definiert werden (Breazeal, 2004). Die Interaktion erfolgt meist über menschliche Sprache, Gestik, Mimik oder Körpersprache. Aus einer Roboter-zentrierten Perspektive werden soziale Roboter als verkörperte Akteure verstanden, die Teil der heterogenen Gruppe sind, fähig sind, sich gegenseitig zu erkennen, soziale Interaktionen zeigen, über Erinnerungen verfügen, miteinander kommunizieren und voneinander lernen (Fong, Nourbakhsh & Dautenhahn, 2003). Eine ähnliche Definition sozialer Roboter lautet:

„A physical entity embodied in a complex, dynamic, and social environment sufficiently empowered to behave in a manner conducive to its own goals and those of its community.“
(Duffy, 2003, p. 177)

In einem Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zu den zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik werden diese Eigenschaften für „intelligente autonome Roboter“ angeführt (Europäisches Parlament, 2017, p. 24):

  • „die Fähigkeit, über Sensoren und/oder über den Datenaustausch mit seiner Umgebung (Interkonnektivität) Autonomie zu erlangen und diese Daten zu analysieren,
  • die Fähigkeit, durch Erfahrung und Interaktion zu lernen,
  • die Form der physischen Unterstützung des Roboters,
  • die Fähigkeit, sein Verhalten und seine Handlungen an seine Umgebung anzupassen.“

Weitere Definitionen in der Literatur erwähnen folgende spezifischen Fähigkeiten sozialer Roboter:

    • Zeigen und/oder Erkennen von Emotionen,
    • Kommunikation über komplexere Sprache,
    • Erkennen anderer Akteure,
    • Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen,
    • Verwenden menschlicher Gestik, Mimik und Körpersprache,
    • Zeigen einer Persönlichkeit und eines eigenständigen Charakters,
    • Lernen und Entwickeln sozialer Fähigkeiten,
    • Verfügen über Erinnerungen,
    • Folgen sozialer Regeln und anpassen an soziale Situationen.

In dieser Arbeit werden soziale Roboter als Handlungsträger und Akteure menschlicher Lebensräume verstanden. Neben den soziale Fähigkeiten ist die Handlungsträgerschaft wesentliches Merkmal sozialer Roboter. Die Handlungsträgerschaft bezieht sich auf die Fähigkeit Handlungen auszuführen, die Bezeichnung Akteur verweist auf die verstärkte Tendenz zur Eigenläufigkeit dieser technischen Systeme.

Roboter, deren Konstruktion der menschlichen Gestalt nachempfunden sind, werden auch als humanoide Roboter bezeichnet. In dieser Arbeit sind mit Robotern stets soziale Roboter gemeint. Andernfalls sind sie speziell angeführt, etwa Roboter in der Industrie.